Lattich – eine beispielhafte Zwischennutzung
Wie alles begann
Das Areal beim Güterbahnhof ist eines der letzten grösseren Entwicklungsgebiete in der Stadt St.Gallen. 2016 wurde klar, dass aufgrund von Planungsarbeiten für ein Verkehrsprojekt in den folgenden rund 10 Jahren nichts Dauerhaftes realisiert werden kann. Zudem stand in einer SBB-Lagerhalle ein 1000m2 grosser Raum leer. Das war der ideale Zeitpunkt für eine Zwischennutzung – und für das Projekt LATTICH.
Die Vision
Wie das Pioniergewächs Lattich, das auf einer Brache als erstes wächst, so soll auch die Zwischennutzung auf dem Güterbahnhofareal organisch wachsen und „wuchern“. Die Initianten – die REGIO Appenzell AR-St.Gallen-Bodensee, Gabriela Falkner (Kulturmanagerin), sowie Marcus Gossolt und Philipp Lämmlin von der Alltag Agentur – hatten eine Vision: Auf dem Areal einen neuen Arbeits- und Lebensraum und ein Innovationsumfeld für die Kreativwirtschaft zu schaffen. Ein kleinteiliger Arbeitsraum, der zum Ort des Austauschs werden soll – und so auch Innovation fördert. Temporär und modular. Das Lattich-Quartier soll nach diesen 10 Jahren weiter bestehen. Eine Art «nomadische Immobilie», die weiterzieht und einen neuen Ort in der Region zwischennutzt und belebt.
2016: Erste Impulse setzen
Eine Vision zu realisieren braucht aber Zeit. Und die Initianten wollten rasch ins Machen kommen und das Quartier beleben. Dank der Unterstützung durch die St.Galler Kantonalbank im Rahmen ihres Jubiläumswettbewerbs war dies möglich. Während zwei Monaten im Sommer 2016 fanden in der Halle sowie auf und neben der Rampe verschiedene Anlässe statt. Das Areal wurde während dieser Zeit zu einem Treffpunkt und Begegnungsort, einem urbanen Freiraum. Diese Monate und die Machbarkeitsstudie haben gezeigt: Das Potential ist da, die Zwischennutzung kann längerfristig und grösser gedacht werden.
2017: Das Wuchern geht weiter
Bestärkt durch die positiven Rückmeldungen wurde das Experiment weitergeführt und im Januar der Verein Lattich gegründet. Alles wurde etwas grösser und mehr. Dass die Zwischennutzung ein Erfolg war, zeigten auch die unzähligen Medienberichte: So flog Lattich im SWISS Magazine um die Welt, wurde in der Schweizer Illustrierte portraitiert oder fand im Hochparterre Beachtung.
2018: Lattich wächst in die Höhe
2018 stand zum einen im Zeichen des Weiterentwickelns und Verdichtens des Bestehenden. Vor allem aber wurde hier ein wichtiger Meilenstein mit der Formierung einer privaten Trägerschaft für den Lattich-Bau – und damit die Realisierung der Vision – gelegt. Richard Jussel, Geschäftsführer der Blumer-Lehmann AG, glaubte von Beginn weg an die Vision und konnte weitere Träger von der Idee überzeugen: die equimo AG, die Hälg & Co. AG, die Stutz AG, sowie Christoph Tobler und Claudia Züger Tobler. Über 3 Millionen kamen für den vollständig privat finanzierten Lattich-Bau zusammen. Verantwortlich für die Architektur war das Baubüro in situ. Der Kanton St.Gallen ermöglichte diese bauliche Zwischennutzung – zeitlich befristet auf 10 Jahre – als Grundeigentümer mittels Baurechts. Und im September lag dann auch die Baubewilligung für die auf drei Stockwerke verteilten 45 Holzmodule vor. Der Bau hat begonnen…
2019: Lattich wird gelb
Im Februar «flogen» sie an, die ersten, bei Blumer-Lehmann AG vorproduzierten Holzmodule. Der Lattich-Bau erhielt Kontur und bekam Farbe. Mietende wurden gesucht und gefunden und im April war es dann bereits soweit – für das grosse Zügeln. Dank dem bunten Mieter-Mix aus den Bereichen Handwerk, Kommunikation, Design, Technologie, Architektur uvm. und den spannenden Projekten rund um den Lattich steht dem kreativen Wuchern nichts mehr im Wege. Und eines Tages wird die Reise des Lattich-Baus weiter gehen. Wohin ist noch offen.
Lattich wurde 2019 mit dem SVSM Award für besonders innovative Projekte aus den Bereichen Standortmarketing, Standortentwicklung und Wirtschaftsförderung ausgezeichnet.
2020-2021: Etablieren und weiter wuchern (lassen)
Zwar hat die Corona-Pandemie auch für die «Lattichianer*innen» Einschnitte und Einschränkungen gebracht. Trotzdem wurde vom Vereinsvorstand die nächste Etappe angepackt: Das Umland des Lattich-Baus nach der Verlegung der Appenzeller-Bahngleise in eine weitere Wucherzone zu verwandeln. Der Lattich-Vorstand ist unterdessen ein gut organisiertes Gremium mit definierten Ressorts und Verantwortlichkeiten und blickt auf mehrere Jahre Erfahrung zurück.
Die REGIO ist deshalb per 1.1.2022 aus dem Lattich-Vorstand ausgetreten und hat sich aus den administrativen Aufgaben zurückgezogen. Dieser Schritt entspricht der strategischen Maxime, dass die REGIO Mitgliedschaften und Beteiligungen nur solange aufrecht erhält, wie sie aktiv einen Mehrwert und direkten Nutzen einbringen kann. Lattich kann nun ohne die Hilfe der REGIO weiter wuchern – und wird das bestimmt auf seine ganz eigene Art und Weise tun.